Jetzt ist Fastenzeit - Aber keine Zeit des Verzichts
Seit Jesu Tod erinnern sich Christen in der Zeit von Aschermittwoch bis Karsamstag an das Leiden und Sterben Jesu Christi und bereiten sich auf Ostern vor, auf die Botschaft von der Auferstehung.
Vierzig Tage lang verbrachte Jesus nach seiner Taufe in der Wüste, um in sich zu gehen, still zu werden, innezuhalten und nachzudenken, ob er dem Ruf Gottes folgen will. Und auch für uns kann nun eine Zeit anbrechen, die wir dazu verwenden können, um bewusst auf uns zu schauen, um herauszufinden, wohin unser Weg führt, welche Ziele wir uns stecken wollen, und um in uns hineinzuhorchen, was wir dringend brauchen und worauf wir vielleicht verzichten können.
In diesem Sinne bedeutet Fasten, Gott und uns selbst gegenüber eine fragende Haltung einzunehmen, still zu werden und achtsam zu horchen. Im Verzicht der Fastenzeit lebt die Erinnerung daran, dass wir nicht immer allein und selbst am besten wissen, was gut für uns ist. „Die Stille ist der Ort, an dem sich die Seele zu sagen traut, was der Verstand ihr vielleicht schon seit langem auszureden versucht.“ [1] Im Hasten und Rennen des Alltags hören wir oft nicht auf unsere innere Stimme. Wichtiger ist es, allen Aufgaben gerecht zu werden, der/die Beste zu sein, denn Ausruhen können wir uns dann später noch, nach getaner Arbeit.
Beim Fasten geht es keineswegs um ein Wetteifern, wer am längsten durchhält und am meisten entbehren kann, sondern darum, dem Leben wieder neu auf die Spur zu kommen. Dafür müssen wir aber einmal bewusst „Pause“ drücken, damit die Seele zu Wort kommen kann. Stillstand und Innehalten ist nicht gleichzusetzen mit Faulheit oder Starre. Selbst im Moment des Scheiterns, wenn wir nach außen hin zum Stillstand gekommen zu sein scheinen, geht es immer wieder von vorne los. Wie bei einem Kleinkind, das gerade Laufen lernt und gar nicht daran denkt aufzugeben. Unermüdlich rafft es sich immer wieder von neuem vom Boden auf, bis es eines Tages mühelos den Seifenblasen nachjagt.
Stillstand heißt nicht, dass sich nichts mehr tut, im Gegenteil, gerade innerlich bewegt sich ganz besonders viel – aber diese Bewegung zehrt uns nicht aus, sondern setzt neue Energie in uns frei, die uns befreit mutig zu sein, neues in Angriff zu nehmen und manches Mal auch veränderte Sichtweisen einzunehmen.
Wenn wir uns jetzt zu Beginn dieser sieben Wochen Ziele setzen, dann nicht, weil wir sie mit aller Kraft auch erreichen müssen, sondern, weil ein festes Ziel vor Augen uns hilft, in Bewegung zu kommen, und uns eine Richtung vorgibt, im Großen wie im Kleinen. Äußerlich und innerlich.
Fastenzeit ist immer auch Aufbruchsstimmung. Es wird Frühling, die Tage werden länger, die ersten wärmenden Sonnenstrahlen und das Sprießen der ersten Blumen schenken uns die Zuversicht, dass es weiter geht. Im übertragenen Sinne können wir hier schon die Hoffnung, die auf Ostern hindeutet, erahnen.
Probehalber etwas anders zu machen – auch wenn es vor allem anfangs schwerfällt – kann die Entdeckung mit sich bringen, dass es anders besser sein könnte. Das Motto der diesjährigen Fastenaktion der Evangelischen Kirche lautet passenderweise „Sieben Wochen ohne Stillstand. Üben!“.
In was wirst du dich/werden Sie sich in den nächsten Wochen üben?
Text: S. Rawlings für die Fachschaft Evangelische Religion
Bild: Nikolette Afra auf Pixabay