Von Allianz Arena bis Zivilprozess

Das Antike Erbe in unserer Zeit

In Vergils weltberühmter Aeneis prophezeit Göttervater Jupiter den Nachkommen des Aeneas ein „imperium sine fine“, eine Herrschaft ohne Grenzen.

Bekanntlich mündete diese scheinbare Grenzenlosigkeit im Verlauf der Jahrhunderte im Untergang des West- und schließlich auch des Oströmischen Reiches. Also alles nur leere Versprechungen?

Mit Blick auf unsere Gegenwart erahnen wir, dass sich Jupiters Prophezeiung dennoch erfüllt haben könnte: Denn über alle räumlichen und zeitlichen Grenzen hinweg prägt uns das Leben der alten Römer und Griechen noch heute.

Im Abiturjahrgang 2022/24 gingen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des W-Seminars Latein „Antikes Erbe: Auf den Spuren der Römer in unserer Kultur und Zivilisation“ auf wissenschaftliche Spurensuche in antiken Quellen und der Fachliteratur. Ihrer Recherche waren dabei keine Grenzen gesetzt, denn fündig wurden sie nicht nur in der Bibliothek oder im Museum: Auf die Spuren der Römer und Griechen stießen sie auch beim Kinobesuch, beim FC Bayern in der Allianz Arena, auf Tiktok, ja sogar bei einem Stopp im McDonald‘s-Drive-In!

Die Ergebnisse der Seminararbeiten zeigen, wie stark die Errungenschaften der Antike unser modernes Leben beeinflussen:

Unsere Rechtsprechung beruft sich bis heute auf römische Rechtsgrundsätze, ferner haben römische Gesetze, beispielsweise zum Schadensersatz, Eingang in unsere Gesetzgebung gefunden.

Prinzipien des römischen Städtebaus erkennen wir in der Planung moderner Städte, Ingenieure der Neuzeit nutzten Erkenntnisse über das römische Wasserleitsystem für die moderne Wasserversorgung. Schließlich spiegeln die großen Sportstadien der Welt die massentaugliche Architektur der antiken Amphitheater wider.

Selbst die moderne Küche greift auf antike Speisezubereitung wie die Fermentierung zurück. Nicht zuletzt hat die längst globalisierte Fastfood-Industrie ihre Wurzeln in der kleinen römischen Garküche. 

Ebenso ist die Wissenschaft von antikem Denken geprägt: Neben lateinischen Begriffsbezeichnungen bedient sie sich antiker Mythen, um Phänomene in der Natur oder Medizin greifbarer zu machen: Ovids Narcissus zeigt als Namensgeber der Persönlichkeitsstörung wahrlich narzisstisches Verhalten, das imposante Atlas-Gebirge erinnert an die starken Schultern des Himmelsträgers Atlas.

In seelischen Notlagen kann die antike Philosophie Halt geben und uns mit „stoischer Ruhe“ bei der Bewältigung des zunehmenden (Alltags-)Stresses unterstützen.

In der Kunst und Literatur ziehen uns unter anderem Homers Epen sowie Ovids Metamorphosen in ihren Bann und inspirieren die Werke unzähliger Künstler und Autoren. Gegenstand der Untersuchungen im Seminar waren Renaissance-Gemälde über die Flucht Daphnes vor dem liebestollen Apollo, moderne literarische Darstellungen des Königs Agamemnon und seiner Familie sowie ein Tiktok-Musical über die Abenteuer des Odysseus, ebenso Liz Taylors hollywoodkonforme Interpretation der Kleopatra.

Bei aller Bewunderung für die antiken Quellen fordert uns antikes Gedankengut allerdings auch zu einer kritischen Auseinandersetzung heraus: Antike Überzeugungen müssen eingeordnet und hinterfragt werden. Der römische Anspruch auf alleinige Weltherrschaft und kulturelle Überlegenheit etwa verfing gerade bei Politikern in der Mitte des 20. Jahrhunderts, die sich die römische Symbolik und Ideologie zunutze machten, um ihre eigene Machtposition durchzusetzen.

Den Römern selbst mag es nicht gelungen sein, ihre Macht auf ewig und sine fine über den Globus auszudehnen, doch hinterließen sie in unserer Kultur, unserem Denken und Handeln und nicht zuletzt in unserer Sprache deutliche Spuren. Ziel des Seminars war es, diese Spuren aufzuzeigen und auf ihre Ursprünge zurückzuführen.

Es ist an uns allen, das „antike Erbe“ zu begreifen und mit Kreativität, Selbstbewusstsein und Verantwortung anzutreten.

Bettina Stoll

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